Einleitung

„Wir haben eine neue Strategie. Jetzt müssen wir sie nur noch umsetzen.“

Ich kann nicht zählen, wie oft ich diesen Satz gehört habe.

Und ich kann auch nicht zählen, wie oft genau diese Strategie gescheitert ist.

Nicht, weil die Strategie schlecht war.

Sondern weil niemand die Menschen mitgenommen hat.

Nach 20+ Jahren in Führung – in Startups, Scale-ups und öffentlicher Verwaltung – weiß ich:

Change Management scheitert selten an der Strategie. Es scheitert an der Umsetzung.

Hier ist, was ich gelernt habe.


Das Problem: Wir denken, Change ist ein Projekt

Die meisten Change-Prozesse laufen so ab:

  1. Management entwickelt neue Strategie
  2. Management kommuniziert Strategie (PowerPoint, 80 Folien)
  3. Management erwartet Umsetzung
  4. Menschen verstehen nicht, warum
  5. Widerstand entsteht
  6. Projekt scheitert

Das ist kein Change Management. Das ist Top-down-Kommunikation.


Beispiel aus der Praxis:

Ich habe mal in einem Unternehmen gearbeitet, das „agiler“ werden wollte.

Das Management hat Scrum eingeführt. Tools implementiert. Teams umstrukturiert.

Resultat?

→ Die Leute haben die Sprints gemacht – aber ohne Überzeugung
→ Die Retros waren Pflichtprogramm, keine echte Reflexion
→ Nach 6 Monaten war „Agilität“ ein schmutziges Wort

Was war das Problem?

Niemand hatte gefragt: „Warum machen wir das? Und was bedeutet das für euch?“

Change wurde als Projekt verkauft. Nicht als Transformation.


Die Lösung: Change ist kein Projekt – es ist eine Reise

Hier ist der Unterschied:

Change als Projekt:
→ Hat einen Anfang und ein Ende
→ Hat Meilensteine und Deadlines
→ Wird von oben gesteuert

Change als Transformation:
→ Ist ein kontinuierlicher Prozess
→ Hat keine „Fertigstellung“
→ Wird von Menschen getragen

Die besten Change-Prozesse sind die, die Menschen nicht überrollen – sondern mitnehmen.


3 Prinzipien, um Menschen durch Change zu begleiten


Prinzip 1: Klarheit vor Geschwindigkeit

Viele Change-Prozesse scheitern, weil sie zu schnell sind.

Management denkt: „Wir müssen schnell sein, sonst verlieren wir Momentum.“

Falsch.

Menschen brauchen Zeit, um Veränderung zu verstehen.


Was das bedeutet:

Nimm dir Zeit für Erklärung
Nicht nur „Was“ und „Wie“ – sondern vor allem „Warum“

Mach Raum für Fragen
Nicht nur in einem Town-Hall-Meeting. Sondern fortlaufend.

Akzeptiere Unsicherheit
Menschen, die unsicher sind, sind nicht „Widerständler“. Sie sind ehrlich.

Klarheit entsteht nicht durch Speed – sondern durch Dialog.


Prinzip 2: Widerstand ist keine Blockade – es ist Information

Hier ist eine unbequeme Wahrheit:

Widerstand ist wertvoll.

Weil er dir zeigt, wo deine Strategie Lücken hat.


Beispiel:

Ich habe mal ein Team geleitet, das gegen eine neue Softwareeinführung war.

Management dachte: „Die sind einfach veränderungsresistent.“

Ich habe gefragt: „Warum seid ihr dagegen?“

Die Antwort: „Weil die neue Software drei Schritte mehr braucht als die alte – und wir jetzt schon überlastet sind.“

Das war kein Widerstand. Das war berechtigte Kritik.

Wir haben die Prozesse angepasst. Die Software wurde akzeptiert.


Was das bedeutet:

Höre Widerstand nicht als Blockade
Sondern als Signal: „Hier stimmt etwas nicht“

Stelle Fragen, statt Widerstand zu brechen
„Was ist euer Bedenken?“ statt „Ihr müsst das jetzt akzeptieren“

Nimm Feedback ernst
Menschen, die widersprechen, sind oft die, die am meisten mitdenken

Widerstand ist keine Blockade. Es ist eine Einladung zum Dialog.


Prinzip 3: Co-Creation statt Top-Down

Die besten Change-Prozesse sind die, die mit Menschen gestaltet werden – nicht für sie.


Was das bedeutet:

Beteilige Menschen früh
Nicht erst bei der Umsetzung. Sondern bei der Planung.

Schaffe Räume für Mitgestaltung
Workshops, Working Groups, Feedback-Runden – nicht als PR, sondern echt.

Mache Erfolge sichtbar
Zeige, was funktioniert. Lerne aus dem, was nicht funktioniert.

Menschen tragen Veränderung mit, wenn sie Teil davon sind.


Was das für Führungskräfte bedeutet

Change Management ist keine Technik.

Es ist eine Haltung.

Die Frage ist nicht: „Wie kriege ich die Leute dazu, mitzumachen?“

Die Frage ist: „Wie schaffe ich Räume, in denen Menschen Veränderung mitgestalten können?“


Das braucht:

Empathie – Verstehen, wo Menschen stehen
Klarheit – Kommunizieren, warum Veränderung nötig ist
Mut – Auch schwierige Gespräche führen
Geduld – Transformation braucht Zeit

Die Führungskräfte, die das verstehen, gestalten Change nicht nur – sie tragen ihn.


Meine eigene Erfahrung

Ich habe Change-Prozesse geleitet, die gescheitert sind.

Weil ich zu schnell war. Zu top-down. Zu überzeugt von meiner Strategie.

Und ich habe Change-Prozesse geleitet, die funktioniert haben.

Weil ich Menschen einbezogen habe. Weil ich zugehört habe. Weil ich bereit war, anzupassen.

Der Unterschied war nie die Strategie.

Der Unterschied war: Habe ich Menschen mitgenommen – oder überrollt?


Was du jetzt tun kannst

Wenn du gerade in einem Change-Prozess steckst:

  1. Frage dich: Habe ich Klarheit geschaffen?
    Wissen die Menschen wirklich, warum wir das tun?
  2. Höre Widerstand
    Nicht als Blockade – sondern als Information. Was sagt mir der Widerstand?
  3. Schaffe Raum für Mitgestaltung
    Wo können Menschen aktiv Teil des Change werden?

Change ist kein Projekt. Es ist eine Reise.

Und die besten Reisen sind die, die man gemeinsam geht.


Über den Autor:

Tobias Breyer begleitet Organisationen durch Transformation – mit 20+ Jahren Führungserfahrung und Coaching-Kompetenz (NLP-Master, GFK). Change Management mit Strategie, Empathie und Wirkung.